Ein weiterer Artikel aus unserer Serie wie die elektronische Verbindungsindustrie die Medizin beeinflusst. Diese Mal führten wir ein Gespräch mit Dr. Sardari Nia, einem Kardiothorax-Chirurg am Universitätskrankenhaus UMC+ in Maastricht. Unser Gesprächspartner wurde im Iran geboren, wuchs in den Niederlanden auf und studierte Medizin in Antwerpen, Belgien. Zu Dr. Sardari Nia’s Arbeitsgebieten gehört die minimal invasive Klappenchirurgie, die Mitralklappenchirurgie, die Roboterchirurgie (MIDCAB) und die Lungenchirurgie. In erster Instanz scheint unser Gesprächspartner „nur“ ein Chirurg zu sein, aber während unseres Gesprächs erfahren wir in welchem Maß und mit welchen Konsequenzen Dr. Sardari Nia die Entwicklungen der elektronischen Verbindungsindustrie für sein Betätigungsfeld nutzt. Tatsächlich geht er noch einen Schritt weiter. In Zusammenarbeit mit Ingenieuren und Technikern arbeitet er an der Erweiterung und Entwicklung der Synergieeffekte zwischen Medizin und Technologie. Das Beste aus zwei Welten zum Wohle seiner Patienten!
Um die aktuellen Entwicklungen im Fachbereich Herz- und Lungenerkrankungen sowie ihre Behandlungen zu verstehen, geben wir einen kurzen Rückblick in die Medizingeschichte. Dr. Sardari Nia erklärt uns, „dass es traditionell in der Medizin Behandlungsmodalitäten für alle Patienten mit einer bestimmten Erkrankung gab. Das heißt, es gab Behandlungen, die für viele Patienten mit einer Erkrankung angewendet wurden“. Zwischenzeitlich fand ein Paradigmenwechsel statt, denn man musste feststellen, dass eine personalisierte Medizin wesentlich wirksamer ist. Dabei liegt der Fokus auf den individuellen Unterschieden einer bestimmten Erkrankung. In der Praxis bedeutet dies, dass man erkennt, welche Behandlung für welchen Patienten am besten geeignet ist. Für diese Entwicklung sind maßgeblich die Fortschritte in der Technologie verantwortlich.
In erster Instanz scheint dies eine logische und nicht sehr spannende Sache zu sein. Die Konsequenzen sind jedoch sehr weitreichend, weswegen wir im Rahmen unseres Artikels die eingreifenden Veränderungen für den Fachbereich Herz und Lunge näher beschreiben werden.
Musste in früheren Jahren ein Patient am Herzen und/ oder der Lunge operiert werden war das immer ein schwerwiegender Eingriff. Das Brustbein musste operativ geöffnet werden, um an das Herz oder die Lunge zu gelangen. Die minimal invasive Operationsmethode hat zu großen Veränderungen und damit Erleichterungen für die Patienten geführt. Heutzutage kann der Chirurg über “seitliche Eingänge” am Oberkörper Patienten an Herz und/ oder Lunge operieren. Diese Operationsmethode ist insbesondere bei dem Ersetzen oder der Reparatur der Mitralklappen am Herzen von großem Vorteil.
Welche technologischen Entwicklungen haben dies ermöglicht? Diese Frage beantwortet Dr. Sardari Nia und erklärt „dass für diese minimal invasive Operationsmethode spezielle Werkzeuge notwendig sind. Die heute eingesetzten Werkzeuge würde es ohne die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre nicht geben. Der Fokus bei der Weiterentwicklung der Werkzeuge lag auf mehr Präzision und stetig feineren und verbesserten Instrumenten. Auch die Entwicklungen im Bereich von Ultraschall und Computertomographien haben sehr viel beigetragen. Die Bilder haben eine höhere Auflösung und sind dadurch schärfer und für uns besser zu analysieren. Außerdem ist es uns Ärzten jetzt auch möglich Tiefen zu sehen. Nicht zu vergessen sind die Verbesserungen in der dreidimensionalen Echokardiografie und der Computertomografie. Diesen Techniken helfen uns die Anatomie eines Patienten zu rekonstruieren. Dies bedeutet, dass wir von jedem Patienten eine Rekonstruktion des Inneren seines Oberkörpers herstellen können. Auf Basis dieser Rekonstruktion werden Operationsmöglichkeiten, d.h. Behandlungsoptionen gewählt. Danach wird ein Plan erstellt auf welche Weise der Chirurg die Operation ausführen wird. Mit anderen Worten, es wird bei der minimal invasiven Chirurgie nach Wegen gesucht, um so wenig wie möglich schneiden zu müssen. Denn je weniger wir schneiden, um so geringer ist das Risiko für die Patienten”.
Bei der Zusammenarbeit und Koordination von Medizin und Technik geht Dr. Sardari Nia noch einen Schritt weiter. In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, dass die Anatomie von jedem Patienten immer etwas abweicht. Dies ist besonders wichtig bei der Reparatur oder Einsetzen der Mitralklappen am Herzen. Nach dem in den ersten Schritten faktisch der gesamte Oberkörper mit seinen Organen, Blutgefäßen, Mitralklappen etc. in Bildern dargestellt wurde, wird mithilfe des 3D Drucks ein „Prototyp“ der Mitralklappe eines Patienten hergestellt. Der Prototyp ist ein Modell der individuellen Mitralklappe eines Patienten. Auch liegt die Priorität auf mehr Sicherheit und weniger Risikos für einen Patienten, denn durch die oben beschriebene Vorgehensweise und Methode ist eine bessere Planung möglich. Letztendlich “üben” die Chirurgen erst eine Operation an einem Patienten ohne ihn überhaupt angefasst zu haben.
Um so viel wie möglich „üben“ zu können und Operationsmethoden weiter zu verbessern, hat Dr. Sardari Nia in Zusammenarbeit mit Technikern und Ingenieuren einen Simulator entwickelt. Es ist der “high-fidelity endoscopic mitral valve repair simulator” und eine Plastikkonstruktion in Form eines Oberkörpers. Allerdings fehlen der Kopf und die Arme. An der Seite gibt es verschiedene Öffnungen, die verwendet werden um mithilfe der Roboterchirurgie und endoskopischen Operationen die „echte“ Operation zu simulieren.
PIEK wollte wissen, welche Vorteile der Simulator bietet. Unser Gesprächspartner erklärt, „dass zum Beispiel in den USA jährlich circa 5 Mitralklappenoperationen von einem Chirurg ausgeführt werden. Dass ein Chirurg mit dieser geringen Anzahl von Operationen keine umfangreichen Erfahrungen und Routine aufbauen kann, ist logisch. Übung macht den Meister gilt auch in diesem Fall. Durch den Einsatz des Simulators können Chirurgen üben und dadurch Erfahrung sammeln“. Mittlerweile kommen Ärzte aus der ganzen Welt in das akademische Krankenhaus UCM+ in Maastricht, um unter Leitung von Dr. Sardari Nia mit dem Simulator zu arbeiten.
Am Ende unseres Gesprächs wollte PIEK wissen, welche Vorteile die Synergien von Medizin und Technologien sind: „Die drei wichtigsten Effekte bei der Nutzung der technologischen Entwicklung in der Medizin sind
1. Eine größere Sicherheit für die Patienten
2. Höhere Effektivität der Behandlungen
3. Die Wiederholbarkeit der Eingriffe = Operationen
Die drei Effekte zusammen verstärken sich gegenseitig und helfen uns um Patienten noch besser und präziser zu helfen”. Zu guter Letzt interessierte PIEK in welchen Ländern die Unternehmen sind, die mit ihren technologische Entwicklungen, Produkten und Knowhow Dr. Sardari Nia unterstützen. „Die Unternehmen kommen aus der ganzen Welt. Es sind innovative Unternehmen, die verstehen wie wichtig es ist, das Ärzte und Ingenieure zusammenarbeiten. Auch hier war auf beiden Seiten Veränderung und Anpassung von alten Denkmustern gefragt, denn traditionell haben die Medizin und technologische Disziplinen nur wenig miteinander zu tun. Glücklicherweise hat sich das geändert”.
PIEK dankt Herrn Dr. Sardari Nia für ein eindrucksvolles Gespräch.