PIEK

Interview mit Dr. S. Braun und Dr. M. Zoet; Auf der Schnittfläche von Gesundheitswesen und Datenanalyse

PIEK sprach mit zwei Lektoren der Zuyd Hogeschool (Fachhochschule) in den Niederlanden. Dr. Susy Braun ist Lektor für Ernährung, Lifestyle und Bewegung. Dr. Martin Zoet beschäftigt sich als Lektor mit zukunftssicheren Finanzen. Sie bündeln ihre Kräfte im Bereich Datenanalyse im Gesundheitswesen. Ziel sind Prävention, bessere Behandlungswege und Nachsorge.

Prävention kann einfach ausgedrückt zweigleisig sein. Einerseits allgemeine Prävention um (chronische) Erkrankungen zu verhindern und andererseits Prävention bei Menschen, die erkrankt sind. Bei der letzten Gruppe kann eine Änderung des Lebensstils zu einer Stagnation oder Verbesserung der bestehenden Erkrankung führen. Dies gilt zum Beispiel für bestehende Diabetes.

Dr. Braun erörtert: „In den Niederlanden haben circa 10 Millionen Menschen eine chronische Erkrankung. Und fast 60% der Niederländer kämpft mit Übergewicht. Übergewicht gehört zu den Hauptverursachern von chronischen Erkrankungen wie Herz- und Gefäßkrankheiten, bestimmten Krebserkrankungen und Diabetes Typ 2. Unser „westlicher“ Lebensstil ist mitverantwortlich für Übergewicht und damit die Wahrscheinlichkeit chronisch zu erkranken.   Wir suchen nach Wegen Menschen individuell zu beraten, damit sie ihren persönlichen Lebensstil ändern. Wünschenswert ist eine Änderung, die zu diesen Menschen passt und die dauerhaft ist. Dafür müssen wir wissen welche Motivation Menschen brauchen um ihre Routinen zu durchbrechen und eine Verhaltensänderung durchzuführen. Wir sehen, dass selbst kleine Schritte mit schnellem Effekt (ich fühle mich besser) helfen. Ein wichtiger Ausgangspunkt bei der schnellen Erreichung von individueller Beratung ist die Tatsache, dass dieselbe Erkrankung verschiedene zugrunde liegende Ursachen haben kann. Für Übergewicht beispielsweise sind diverse Faktoren wie wenig Bewegung, zu viel Essen aber auch Stress verantwortlich. Verschiedene Ursachen, die dasselbe Resultat haben. Darum ist der Änderungsansatz anders, denn der Lebensstil sollte verändert werden. Durch hauptsächlich (invasive) Untersuchungen nach Stoffen in Urin, im Blut und der Wangenschleimhaut wissen wir, dass es unterschiedliche Ursachen gibt und (große) individuelle Unterschiede in unserem Stoffwechsel oder dem Hormonhaushalt.  Die Untersuchungen sind teuer und kosten Zeit. Am liebsten würden wir mit Fragebogen mit Schlüsselfragen bestimmen, welche Beratung am besten zu jemandem passt. Ein Fragebogen ist simpel und preiswert, sodass zum Beispiel Pflegepersonal oder Sanitäter damit arbeiten können. Verändert sich ein Mensch, weil er beispielsweise abnimmt, fragt dies eventuell um eine Anpassung der Beratung, um zielgerichteter an einer Lösung zu arbeiten.“

Martijn Zoet ergänzt die Ausführungen: „Was wir machen, kann man mit Google, Amazon oder Netflix vergleichen. Diese Plattformen erhalten Mengen an Daten und können damit sehr persönliche Profile von Menschen erstellen. Viele Organisationen sprechen zum Beispiel von ihren fünf Zielgruppen. Die oben genannten Unternehmen sagen, sie haben so viele Zielgruppen wie sie Kunden haben. Für jeden Kunden gibt es ein persönliches Profil. Auch in der Medizin oder der medizinischen Forschung wird viel gemessen wie Augenmessungen, Blutdruck, Fragebogen usw. Heute hat jeder einen Schrittzähler auf seinem oder ihrem Handy oder eine App, die tägliche Aktivitäten überprüft und speichert. Diese Informationen helfen uns ein individuelles Profil einer Person zu erstellen. Alle Daten zusammen zeigen Routinen und Tagesabläufe eines Menschen. Durch den Einsatz von verschiedenen Datenanalysetechniken wie zum Beispiel Clusteranalyse und Reinforcement-learning erhalten wir ein so persönlich mögliches Profil. Mithilfe aller Daten können wir Maschinen lehren bei medizinischen Diagnosen zu helfen. So ist die Befundung bzw. Prüfung bei Mammographie durch künstliche Intelligenz zuverlässiger als durch Ärzte.“

Vor Kurzem haben beide Lektoren die Zusammenarbeit mit Forschern der Maastricht Studie gestartet. Innerhalb der Maastricht Studie wurden in den vergangenen Jahren Millionen Daten gesammelt von Messungen von tausenden Versuchspersonen mit verschiedenen Krankheitsbildern. Wir brauchen viele Daten um Einsichten in die diversen Ursachen der Krankheiten zu erhalten. Die Daten umfassen außer medizinischen Analysen wie Blut- und Urinwerten, Resultate von Fragebogen und Belastungstests.“

Dr. Braun über die Zusammenarbeit mit Maastricht Studie: „Mit den Daten der Maastricht Studie suchen wir nach Clustern, die zu Übergewicht gehören. Wir haben früher schon Forschung nach Clustern bei anderen Erkrankungen durchgeführt. Dabei ging es um rheumatische Arthritis und die Studie wurde in Kooperation mit VieCuri Medisch Centrum ausgeführt. Resultat ist ein Fragebogen, der von der Rheumaabteilung von VieCuri Medisch Centrum eingesetzt wird. Es sind relativ lange Fragebogen mit 60 Fragen, aber sie helfen uns eine so maßgerecht wie mögliche Beratung zu erzielen. Mit neuen Resultaten „füttern“ wir die Maschine. Damit werden Voraussagen besser und präziser. Die Maschine lernt und hilft mit den Ergebnissen dem Arzt bei der Beratung. Dies wäre eine große Erleichterung für die Arbeitsbelastung in der Medizinwelt. Zusätzlich helfen die schnelleren und besseren Analysen das Patienten schneller geholfen wird. Das bedeutet wieder mehr Lebensqualität und entlastet das Gesundheitswesen.“

PIEK bedankt sich bei Frau Dr. Braun und Herrn Dr. Zoet herzlich für das interessante Gespräch und wünscht viel Erfolg bei den zukünftigen Studien.

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